Stars und Sternchen geben sich die Ehre

 
Wehe, wenn sie losgelassen, die Fastnachter des SV Erbach. Dann ist gute Laune programmiert und an die Lachmuskeln werden hohe Anforderungen gestellt. In der ausverkauften Erbacher Mehrzweckhalle zündeten die Narren am Samstagabend ein fast fünfstündiges Feuerwerk der guten Laune mit viel Tanz, Musik und Büttenreden.

Dass in Erbach die größte Saalfastnacht in und um Heppenheim läuft, hat sich längst auch bei der Prominenz herumgesprochen. Alle waren sie da, die Stars und Sternchen. Denn das Motto des Bunten Abends war: „Nun, liebe Narren, gebt fein acht, wir präsentieren Euch die Oscar-Nacht“. Es begann mit einem Einspieler nach Art der alten Slapstick-Filme. Der zeigte auf der Leinwand den Weg von Sitzungspräsident Steffen Maurer vom Bett auf die Bretter der Halle und sorgte für die ersten Lacher. Die Guggemusiker von den Bensemer Roabdigalle heizten dem Publikum ein, so dass die Stimmung schon prächtig war, als endlich die Stars die Bühne erklommen.

Ben Cartwright stapfte samt Sattel die Treppen hinauf, Bully Herbig tänzelte im Traumschiff-Surprise-Kostüme herbei, die Blues Brothers waren an Coolness kaum zu überbieten. Tarzan, alias Johnny Weißmüller, hatte sich mit „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ ein wenig im Song vergriffen. Voller Spitzbübigkeit grüßte Johnny Depp als Captain Jack Sparrow das närrische Volk, Charles Chaplin lieferte eine Tanzeinlage mit dem Spazierstock, Indiana Jones kam ohne Peitsche, dafür begeisterte Johnny Cash mit dem „Ring of Fire“ und Karl Lagerfeld brachte Eitelkeit und Glamour mit. Die illustre Gesellschaft nahm die Plätze des Elferrates ein, verlieh den Abend über Mini-Oscars an die Protagonisten und schenkte Sekt an Tänzerinnen aus.

A propos Tänzerinnen. Was wäre die Erbacher Fastnacht ohne ihre Balletts? Hübsche Mädels, tolle, selbst geschneiderte Kostüme, mitreißende und originelle Choreografien, tanzende Männer, ein Trainer als DJ. Dass sie (fast) alle im normalen Leben Handball spielen, kann man gar nicht glauben, so professionell bewegen sie sich auf der Bühne.

Getanzte Werbung mit Zartgemüse aus der Dose

Das Kinderballett machte den Anfang unter dem Motto „Pitch Perfect“. Mit Klatschen und Plastikbechern begleiteten sie rhythmisch bravourös synchron den Song „You’re gonna miss me, when I’m gone“. Es folgte ein Medley aus Charthits, dazu eine fetzige Choreografie und toll tanzende Mädels in Hotpants, Overknees und Glitzershirts. Auch die Werbung kam tanzend daher, gesponsert vom Großkonzern Monsanto, „dem Saatguthändler Ihres Vertrauens, wenn es um genmanipuliertes Obst und Gemüse geht“ (Steffen Maurer). Hier tanzte das „Zartgemüse aus der Dose“ und später ein paar heiße Hummer.

Nicht fehlen durften die „Oldstars“. Die Damen mischten als Putzgeschwader Aufnahmen zu „Germanys next Topmodel“ durcheinander, ließen sich durch eine Heidi Klum mit männlichem Charme und Bruce Darnell nicht von der Arbeit und später vom Walk („Wogg“) auf dem Laufsteg abhalten. „Sie ist ein Model und sie sieht gut aus“, ertönte es aus den Lautsprechern, als die Damen ihre Kittelschürzen von sich warfen und im kurzen Kleidchen den Schönen der Welt den Rang abliefen und -tanzten. Am Ende bekam jede ein Foto.

Einer der Knaller war der Auftritt des Jugendballetts in sexy Outfits. Sie präsentierten einen mitreißenden Gardetanz zu einem Abba-Medley. Ohne Zugabe ging da nichts. Das sorgte dafür, dass der Zeitplan rettungslos durcheinander kam. Kaum ertönte „Waterloo“, war es um alle geschehen: Steffen Maurer im hautengen Glitzerkostüm stürmte die Bühne, tanzte, was das Zeug hielt. Da tobte der Saal, alle standen auf, johlten und forderten zu Maurers Entsetzen eine Zugabe der Zugabe: „Ihr könnt des net ernst meine“, jammerte er nach Luft ringend. Aber er war chancenlos. Er musste zum Vergnügen aller noch einmal ran. Herrlich, wie er aus sich raus ging, köstlich die Hebefiguren.

Das Damenballett der Aktiven sorgte später mit einer Reise durch die Diskotheken der Welt für Stimmung. In Nullkommanix wechselten sie die Kostüme, tanzten mal in Bollywood-Manier, mal als fesche Cowgirls. 

Den tänzerischen Abschluss machte traditionell das Männerballett, das eine Hommage an Videospiele von Tetris bis Super Mario darbot. Und das, was die Herren in ihren fantasievollen Kostümen boten, war fast schon tänzerisch wertvoll und stellte hohe Anforderungen an die Jungs.

Neben Tanz durften Büttenreden und Sketche nicht fehlen.

Für Gelächter sorgten Moritz „Alpezin“ Lulay, Jens „Schwarzkopf“ Rodenheber und Michael „Duschdas“ Endres beim Synchron-Haarewaschen, der neuen Trendsportart beim SV Erbach. Drei Eimer Wasser, Shampoo, drei schmerzlose Protagonisten – zwerchfellerschütternd, was dann passierte. Synchron steckte das Trio die Köpfe ins Wasser, schäumte sich gegenseitig ein, schleuderte die nasse Haarpracht umher und setzte die Bühne unter Wasser. Schlüpfrig ging es beim Paar mit Kinderwunsch zu. Xena Rodenheber und Mirko Lulay klagten ihr Leid darüber, wie schwer es sei, ein Kind zu zeugen. So jammert er: „Seit Wochen gibt es nur noch Rettisch – ich sag dir, des macht mich ganz fertisch!“ Dennoch zerbrechen sich beide den Kopf über den Namen des Nachwuchses: Vielleicht Steffen, wie der Fastnachtspräsident? Abgelehnt: „Der steht dort obbe, wiegt drei Zentner, bringt’s nie zu was, außer zum Rentner!“

Jürgen Streit, Schirmherr der Heppenheimer Straßenfastnacht, sah sich mit einem Biertest konfrontiert. Ob er wohl sein im Halben Mond gebrautes Bier erkennen würde? Trotz lauwarmer Brühe, er schaffte es. 

Zwei Polizisten – Fabian Jordan und Yannick Lulay – erzählten aus dem Berufsalltag. Neulich rief einer an und meldete Cockpit samt Lenkrad gestohlen. Als die Streife unterwegs war, kam der zweite Anruf: „Die könne dahoam bleibe, isch bin bloaß hinne eing’stiege.“ Ein anderer meldete die Gattin als vermisst. Beim Anblick des Fotos meinte der Polizist: „Im Ernscht – solle mer die werklisch suche?“

Marilyn Monroe, alias Michael Endres, lieferte sich mit Conchita Wurst, alias Jens Rodenheber, einen spaßigen Zickenkrieg um die Gunst des Sitzungspräsidenten. Ehrenpräsident Frank Lies erschien als Ritter frisch aus dem Seminar „Der galante Ritter im Wandel der Zeit“. Er hat gelernt, dass man der holden Weiblichkeit mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Nach dem Motto: „Hej, Frau, die Bierhumpe sin viel zu schwer, geh doch zwa mol in de Keller!“

Die Söhne Erbachs, Steffen Maurer, Armin Silber und Alfons Löb, verteilten Liedtexte zum Mitsingen, änderten den Refrain des ersten Songs aber „spontan“ in „Burelbach, Burelbach, Bu-Bu-Bu-Burelbach“ statt Lollipop. Dann bekam die Bundeswehr ihr Fett weg: „Brauchst du Panzer oder schweres Geschütz, bist du hier falsch, denn es funktioniert hier nix – do bei der Bundeswehr“ ertönte es zur Melodie von „You’re in the Army now“. Als Zugabe gab’s die ultimative, gesungene Lobhudelei auf Hallen-Hausmeister Jens Rodenheber. „Hey Jens, an Fassenacht, is die Welt gut, doch du bist behehesser“ sang das Trio zur Melodie von „Hey Jude“.

Quelle: Echo Online 10.02.2015

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